von Gloria Dell'Etere
Warum Autorität nicht Führung bedeutet – und wie echtes Führen heute aussehen sollte.
In vielen Unternehmen ist das Bild von Führung noch erstaunlich veraltet: Wer die Entscheidungen trifft, Budgetverantwortung trägt und Ergebnisse liefert, gilt automatisch als „Leader“. Doch in Zeiten von New Work, Quiet Quitting und einem tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt genügt das längst nicht mehr. Denn: Man kann Macht haben, ohne Einfluss zu haben. Man kann kontrollieren, ohne zu führen. Und man kann Verantwortung tragen – ohne Verantwortung zu teilen.
„Are you really a leader… or just a boss?“ – Diese provokante Frage stammt aus einem viralen LinkedIn-Post, der hunderttausende Menschen zum Nachdenken gebracht hat. Und sie trifft einen Nerv. Denn die feine Linie zwischen echter Führung und reiner Autorität verläuft oft dort, wo man sie am wenigsten vermutet: im Alltag, im Tonfall, in der Art, wie Meetings eröffnet, wie Kritik geäußert, wie Ideen aufgenommen werden. Ein Boss sagt: „Mach das.“ Ein Leader fragt: „Was brauchst du, um das möglich zu machen?“ Diese Unterscheidung ist keine Semantik – sie ist kulturell entscheidend. Studien zeigen: Die Qualität der Führung hat direkten Einfluss auf Engagement, Innovationskraft und sogar die Gesundheit von Mitarbeitenden. Laut einer Gallup-Studie von 2023 geben 70 % der Befragten an, dass ihr direkter Vorgesetzter maßgeblich dafür verantwortlich ist, wie sie sich bei der Arbeit fühlen – positiv oder negativ.
Eine Führungskraft, die inspiriert, ist heute mehr Architektin für psychologische Sicherheit als Mikromanager. Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, beschreibt dies als die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche Teams: „People must feel safe to speak up with questions, concerns, or ideas without fear of punishment or humiliation.“ Ein anschauliches Beispiel liefert Google mit seinem internen Projekt „Aristotle“. Ziel war es, herauszufinden, was erfolgreiche Teams ausmacht. Das Ergebnis war überraschend klar: Nicht Skills, Erfahrungen oder Hierarchie entscheiden über Teamleistung – sondern Vertrauen, Offenheit und gegenseitiger Respekt.
Wenn Führung sich leer anfühlt: Wo Chefs scheitern und sich niemand traut, es auszusprechen (oder: der "weiße Elefant im Raum").
Auf dem Papier ist alles in Ordnung: Das Team liefert ab, die Deadlines werden eingehalten, die Statusmeetings laufen wie geplant. Und doch herrscht im Raum eine seltsame Stille. Keine Rückfragen, kein spontanes Brainstorming, keine Energie. Der Vibe stimmt nicht – und niemand spricht es aus. Statt echter Verbindung gibt es nur Austausch auf der Funktionsebene. Aufgaben werden verteilt, Probleme verwaltet, Emotionen ignoriert.
Viele Führungskräfte merken gar nicht, dass sie über die Zeit von Leadern zu reinen Verwaltern geworden sind. Sie glauben, sie führen – doch in Wahrheit reagieren sie nur noch. Ein Mitarbeiter wirkt müde? „Urlaub beantragen.“ Jemand bringt Kritik? „Dann schreib es ins Tool.“ Eine Kollegin zieht sich zurück? „Wahrscheinlich privat beschäftigt.“
Bei Buffer, einem bekannten Social-Media-Tool-Anbieter, berichtete ein langjähriger Mitarbeiter in einem Blogbeitrag, dass seine wachsende Unzufriedenheit über Monate niemandem auffiel – obwohl sie sich in kleinen Dingen zeigte: weniger Teilnahme an freiwilligen Formaten, kürzere Antworten in Chats, kaum noch Ideenbeiträge. Erst als die Person kündigte, wurde plötzlich nach den Gründen gefragt – und intern begann eine kritische Reflexion über „silent disengagement“.
Auch im mittleren Management erleben viele den täglichen Spagat: einerseits der Druck von oben – KPIs, Reporting, Effizienz. Andererseits das Bedürfnis des Teams nach Menschlichkeit, Sinn, Dialog. Doch statt einen echten Raum dafür zu schaffen, werden oft Pseudoformate eingeführt: „Feelgood-Friday“, „Check-in-Runden“, „Lunch & Learn“. Was gut gemeint ist, fühlt sich schnell wie Pflichtveranstaltung an, wenn der eigentliche Umgangston unverändert bleibt.
Führung scheitert nicht nur an fehlenden Skills – sondern oft an fehlendem Mut. Mut, zuzuhören. Mut, Kontrolle loszulassen. Mut, Dinge anzusprechen, bevor sie eskalieren. Der Preis für das Schweigen ist hoch: Teams entfernen sich, Ideen versanden, und Führungskräfte stehen am Ende allein da – mit einem Team, das innerlich längst gegangen ist.
Wie wir Ihnen helfen, Führung und Führen neu zu denken – und lebendig zu gestalten.
Wir analysieren reale Teamdynamiken – nicht nur auf Basis von KPIs, sondern durch gezielte Gespräche, Feedbackloops und systemische Betrachtung. Wo entstehen Reibungen? Wo wird Verantwortung abgeschoben? Wo ist Führung spürbar – und wo nur formal vorhanden? Wir arbeiten dabei nicht mit starren Programmen, sondern mit dem, was in der Organisation wirklich lebt.
Wir helfen Führungskräften, sich selbst besser zu reflektieren: Welche Wirkung hat mein Verhalten? Was triggert mein Kontrollbedürfnis? Wo fehlt mir selbst Vertrauen? Führung beginnt immer bei der eigenen Haltung. Oft sind es kleine Verhaltensänderungen mit großer Hebelwirkung. Zum Beispiel: Statt sofort Lösungen anzubieten, erst einmal zuhören. Statt Entscheidungen allein zu treffen, Optionen gemeinsam mit dem Team abzuwägen. Statt auf „Performance“ zu schauen, bewusst Raum für „Presence“ zu schaffen.
In vielen Interventionen arbeiten wir nicht nur mit der Führungskraft, sondern auch mit dem Team. So entsteht kollektive Verantwortung und eine neue Form von Leadership, die getragen – und nicht nur ausgeführt – wird. Dabei integriert er auch Micro-Interventionen: kurze Check-ins, bewusste Reflexionsfragen, Routinen zur Förderung psychologischer Sicherheit. Diese Formate verändern keine Jobtitel – aber sie verändern, wie sich Führung anfühlt.
Und wie sieht Führung in Zukunft aus?
Die gute Nachricht: Echte Führung kann man lernen. Sie beginnt nicht mit einer Beförderung, sondern mit der Entscheidung, Menschen nicht nur zu managen, sondern sie wirklich zu begleiten. In einer Arbeitswelt, in der Sinn, Selbstbestimmung und Verbindung immer wichtiger werden, braucht es mehr denn je Führungskräfte, die zuhören, fördern und vertrauen können – nicht als „Nice to Have“, sondern als strategische Notwendigkeit.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass in Ihrem Team etwas fehlt – aber schwer greifbar ist – lohnt sich ein genauerer Blick. Denn Leadership beginnt nicht mit einem Titel auf der Visitenkarte, sondern in der Haltung, mit der man führt.
Sind Sie bereit, sich nicht nur als Chef zu verstehen – sondern als Leader?
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