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13.10.2025

Transformation ist kein Zuschauer-Sport: Warum Führung mitspielen muss

von Gloria Dell'Etere

Der blinde Fleck der Transformation: Wenn Führung außen vor bleibt

In den letzten Jahren haben unzählige Unternehmen ihre „Transformation“ ausgerufen – neue Arbeitsmodelle, agile Methoden, mehr Selbstorganisation. Doch hinter den großen Worten bleibt oft eine stille Enttäuschung: Viele dieser Projekte verändern wenig.

Laut einer Studie von McKinsey (2023) erreichen nur rund 30 % aller Transformationsinitiativen tatsächlich ihre Ziele. Der häufigste Grund? Fehlende aktive Beteiligung der obersten Führungsebene - Geschäftsführende, Abteilungs- oder Bereichsleitende.

Das klingt banal – ist aber zentral.
Denn Organisationen verändern sich nicht, weil PowerPoint-Folien neu designt oder Tools eingeführt werden. Sie verändern sich, wenn Menschen gemeinsam – also auch die an der Spitze – ihr Verhalten miteinander verändern.

Doch in der Praxis entsteht oft eine gefährliche Dynamik:
Während Mitarbeitende motiviert an neuen Ideen, Strukturen oder Ritualen arbeiten, hält sich das Management zurück – manchmal aus Zeitmangel, manchmal aus Unsicherheit, manchmal aus dem unbewussten Glauben, dass Veränderung „unten“ passieren soll. Das gefährdet direkt die Investition in das Veränderungsprojekt und damit den Erfolg.

Die Folge: es entstehen "Paralleluniversen":
Hier das „Change-Team“, das mit Begeisterung an Innovationen tüftelt – dort das Top-Management, das auf Ergebnisse wartet, ohne selbst mitzuwirken.
Das Resultat: Initiativen verlieren Energie, Mitarbeitende verlieren Vertrauen – und das System bleibt, wie es ist. Im Ergebnis landen dann Veränderungs-Initativen oft als "erfolglos" in den Schubladen und nicht als echte Verbesserungen in der Organisation.

Ideen brauchen neben Genehmigung auch Resonanz

Wenn Mitarbeitende Freiraum bekommen, eigene Ideen zur Weiterentwicklung der Organisation einzubringen, entsteht Potenzial, das weit über klassische Effizienzsteigerung hinausgeht. Diese Impulse sind die wahren Updates des organisationalen „Betriebssystems“ – sie bringen frische Denklogiken, mutige Experimente und neue Formen der Zusammenarbeit hervor.

Doch diese Energie verpufft, wenn sie keine Resonanz findet.
Eine Untersuchung der Harvard Business School (Edmondson, 2019) zeigt: Mitarbeitende halten sich mit Vorschlägen bis zu 50 % häufiger zurück, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Führungskräfte kein echtes Interesse daran haben, die Hintergründe zu verstehen.

Zwischen „Wir hören euch“ und „Wir verstehen euch“ liegt ein entscheidender Unterschied.

Echte Resonanz entsteht, wenn Führungskräfte neugierig fragen:
„Was hat dich auf diese Idee gebracht?“ – statt: „Wie soll das funktionieren?“
„Was beobachtest du im Alltag?“ – statt: „Das haben wir schon probiert.“

Ein bekanntes Beispiel ist Microsoft: Als Satya Nadella CEO wurde, ersetzte er die alte „know-it-all“-Kultur durch eine „learn-it-all“-Mentalität. Nicht Wissen, sondern Neugier wurde zur Währung. Führungskräfte lernten, zuzuhören, Fragen zu stellen und Irritationen auszuhalten. Das Ergebnis: Innerhalb weniger Jahre stieg die Innovationsrate massiv, die Mitarbeiterzufriedenheit ebenso (Quelle: Harvard Business Review, 2021).

Wenn Management und Mitarbeitende gemeinsam lernen, entsteht etwas Neues: eine Organisation, die sich selbst weiterentwickeln kann – ohne ständige externe Steuerung.

Co-Creation statt Kontrolle: Wie Transformation wirklich gelingt

Echte Organisationsentwicklung ist kein top-down-Projekt, sondern ein gemeinsamer Lernprozess.
Das bedeutet nicht Chaos, sondern Klarheit: Alle Beteiligten – von der Geschäftsführung bis zum Azubi – verstehen, dass sie Teil des Systems sind, das sie verändern wollen.

In Unternehmen, die Transformation erfolgreich umsetzen, sieht man immer das gleiche Muster: Das Management arbeitet mit, statt nur zu beauftragen.
Führungskräfte besuchen dieselben Workshops wie ihre Mitarbeitenden, reflektieren ihre eigenen Routinen und erleben, wie schwer es ist, alte Muster loszulassen.

Eine Studie der Boston Consulting Group (2022) bestätigt:
Transformationsprojekte sind bis zu sechsmal erfolgreicher, wenn das Top-Management sichtbar und emotional engagiert mitarbeitet.

Ein hilfreicher Ansatz in der Praxis kann sein, gemeinsame Reflexionsroutinen einzuführen – zum Beispiel kurze Team-Dialoge, in denen regelmäßig gefragt wird: „Was hat uns in dieser Woche geholfen, besser zu arbeiten – und was hat uns blockiert?“

Solche offenen, wiederkehrenden Gespräche schaffen Transparenz und Vertrauen. Nicht, weil sie revolutionär sind, sondern weil sie zeigen: Führung hört zu – und ist bereit, mitzudenken.

Wenn das Management bereit ist, Fragen zu stellen, statt Antworten zu liefern, entsteht Raum für Co-Creation.
Und genau in diesem Raum geschieht Entwicklung.

Wie wir die begleiten, die wirklich lernen wollen

In unserer Arbeit mit Unternehmen begegnen wir genau diesen Mustern: engagierte Mitarbeitende, die mutig neue Wege denken – und Führungskräfte oder Geschäftsleitung, die zwar Veränderung wollen, aber zu weit entfernt bleiben, um sie zu ermöglichen.

Deshalb gestalten wir unsere Projekte so, dass beide Seiten gleichzeitig lernen.
Wir nennen das: „Ride the Change“ – gemeinsam am System arbeiten, nicht daran vorbei.

Was es dazu braucht, ist die Offenheit und der Mut des Managements, z. B. gegenüber den Mitarbeitenden Schwächen zu zeigen. Nur weil Chefs Chefs sind, bedeutet das nicht, dass sie "immer alles wissen und können müssen". Wer sich als Chef traut, dies wahrhaft gegenüber sienen Mitarbeitenden aufzuzeigen, öffnet den Raum und lässt neue Ansätze zu.

Unsere Arbeit beginnt dort, wo klassische Beratung endet: Wir schaffen Räume, in denen Hierarchie und Haltung aufeinander treffen.
Wir helfen Führungskräften, die Motivation hinter den Ideen ihrer Mitarbeitenden zu verstehen – und Mitarbeitenden, die Perspektive der Führung nachzuvollziehen.
So entsteht gegenseitiges Verständnis – und genau daraus entsteht das Update, das Organisationen wirklich brauchen.

Unsere Erfahrung zeigt:
Das wertvollste Kapital einer Organisation sind nicht Strategien, sondern gemeinsame Erkenntnisse.
Wenn Führung und Belegschaft gemeinsam reflektieren, entstehen bessere Entscheidungen, mehr Vertrauen – und oft auch wieder Stolz auf das, was man gemeinsam erreicht.

Darum lautet unsere Einladung an alle, die führen:
Bevor Sie in das nächste große Transformationsprojekt investieren – investieren Sie in Ihr eigenes Lernen.
Denn die nachhaltigste Veränderung beginnt nicht mit einem Konzept.
Sie beginnt mit einem ehrlichen: „Ich bin bereit, mitzudenken.“

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